Hartmut Krauss

Auftragsstudien als Mittel der Meinungsmanipulation
Kritische Anmerkungen zu einem migrantophilen Trommelfeuer

 

Kurz nach der (Gehirnwäsche-)„Woche der Toleranz“ wurden Ende November/Anfang Dezember 2014 in den Medien drei auftragspolitisch halbseidene Studien auf eine Art und Weise dargeboten, die recht durchsichtig darauf ausgerichtet war, zuwanderungskritische bis -skeptische Stimmungen zu ersticken und moralisch ins Zwielicht zu rücken. Motto: Wer Ausländer und Zuwanderung nicht undifferenziert/pauschal positiv (als „Bereicherung“) bewertet bzw. nachdrücklich befürwortet und mit einer „Willkommenskultur“ beglückt, ist in den Augen der politisch-korrekt gleichgeschalteten Öffentlichkeit ein tendenziell rassistischer, fremdenfeindlicher Unhold und Träger einer „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“, den man hemmungslos stigmatisieren darf, ja muss.
De facto lassen sich grundsätzlich drei gesellschaftspolitisch relevante zuwanderungsbezogene Grundeinstellungen unterscheiden:
1. Eine pauschal und undifferenziert positive Position (politisch und medial dominant)
2. Eine pauschal und undifferenziert negative Position (rechte fremdenfeindliche Randgruppen der Gesellschaft)
3. Eine nichtpauschal und differenziert urteilende Position( große Teile der postdemokratisch entmündigten Bevölkerung)
Vom Standpunkt der dominanten „zuwanderungseuphorischen“ Position wird nun nicht nur die pauschal negative Position, sondern auch die differenziert urteilende (nichteuphorische) Position als „fremdenfeindlich“ etc. stigmatisiert und damit ein tendenziell destabilisierender Dissens zwischen dem herrschenden Block und großen Teilen der Bevölkerung generiert, was aus kritisch-soziologischer Sicht nicht nur im Hinblick auf deren „lagerbildende“ Auswirkungen sehr interessant ist.

  I.

Triumphalistisch aufbereitet wurde zunächst eine Studie im Auftrag der abhängigen Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel „Der Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt“. SPIEGEL ONLINE titelte in hemmungslos manipulativer Art „Mehr Einnahmen als Ausgaben: Ausländer bringen Deutschland Milliarden“. Und weiter: „Für Deutschland ist Einwanderung ein Gewinngeschäft, zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. Demnach zahlen Ausländer insgesamt deutlich mehr Steuern und Sozialabgaben, als sie den Staat kosten - mit steigender Tendenz.
“http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/auslaender-bringen-deutschland-laut-studie-milliardeneinnahmen-a-1005217.html

Tatsächlich aber werden in dieser Studie Ausländer als homogene Gruppe unterstellt und beispielsweise nicht untersucht bzw. im Dunklen gelassen, inwieweit sich EU-Ausländer, asiatische Jungakademiker, bildungsferne Muslime, afrikanische Asylbewerber und Flüchtlinge aus islamischen Kriegsländern etc. im Hinblick auf ihre gruppenspezifische Cash-flow-Bilanz unterscheiden (Steuern plus Sozialabgaben im Verhältnis zu Sozialtransfers). Zudem: Nicht „für Deutschland“ sondern in erster Linie für bestimmte Kapital- und Interessengruppen sind bestimmte Ausländer ein Gewinngeschäft; nämlich als Hochqualifizierte aus EU-Krisenländern zu Lasten der dortigen Auswanderungsgesellschaften (Brain-drain-Effekt); als Niedriglöhner und Lohndrücker zum Beispiel in der Fleischindustrie und als Flüchtlinge für Flüchtlingsheimbetreiber und die darum herumgelagerte Migrationsindustrie, die ihre Gewinninteressen hinter wohlfeil-gutmenschlichen, aber problemverschleiernden Phrasen verbirgt.

Was SPIEGEL ONLINE und die meisten anderen Medien darüber hinaus verschweigen, ist Folgendes: Nur wenn man die allgemeinen Staatsausgaben (etwa für Verteidigung, Straßenbau, Infrastruktur), insbesondere auch die nur für Immigranten anfallenden Gesamtkosten für Integration, Ausländerbetreuung, Flüchtlingsunterbringung, Justizkosten etc., ausblendet, ergibt sich für die Ausländer in Deutschland eine positive Differenz zwischen Steueraufkommen/Sozialabgaben einerseits und Bezug von Transferleistungen andererseits. Bezieht man hingegen die allgemeinen Staatsausgaben mit ein, „schlägt für jeden lebenden Ausländer ein langfristiges Staatsdefizit von 79.100 Euro, für jeden lebenden Deutschen von 3.100 Euro zu Buche. Wegen dieses Defizits weist das Staatsbudget, wenn nicht gehandelt wird, langfristig eine Tragfähigkeitslücke von fast 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf.“ (S. 3 der Studie) Nur eine gezielte Steuerung der zukünftigen Zuwanderung wird dazu beitragen können, diese Lücke zu schließen und so die Bevölkerung fiskalisch spürbar zu entlasten.
Jenseits aller abstrakt-spekulativen Zukunftsprojektionen kommt auch diese Studie nicht umhin, ein Stück (medial missliebiger) konkreter Realitätsabbildung durchschimmern zu lassen:
So fallen die Finanzierungsbeiträge der Ausländer ab 15 Jahren gegenüber den Deutschen deutlich zurück. „Erst mit 23 Jahren - bei Deutschen bereits mit 20 Jahren - werden die Nettosteuerzahlungen der Ausländer positiv.“ (Hier schlägt eine höhere Jugendarbeitslosigkeit der entsprechenden ausländischen Alterskohorte zu Buche). „Am Höhepunkt in der Mitte der Erwerbsphase sind die durchschnittlichen Finanzierungsbeiträge der Ausländer 30 bis 40 Prozent niedriger als die der gleichaltrigen Deutschen. Niedrigere Löhne, eine geringere Beschäftigungsquote sowie weniger Vermögen sind Gründe, warum der laufende Finanzierungsbeitrag der Ausländer zu den öffentlichen Haushalten in der zweiten Erwerbshälfte im Vergleich mit den Deutschen relativ weit zurückbleibt.“ (S. 27)
Aber auch in vorausschauender Perspektive stellt die Studie Folgendes fest: „In der ausländischen Bevölkerung haben erheblich weniger Jahrgänge eine positive Generationenbilanz als in der deutschen Bevölkerung. Ausländer, die 2012 geboren wurden, werden unter Status-quo-Bedingungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg im Gegenwartswert durchschnittlich rund 44.100 Euro mehr an Transfers erhalten, als sie an Steuern und Beiträgen zahlen.“ Deutsche hingegen „zahlen im Lebensverlauf durchschnittlich rund 110.800 Euro mehr an Steuern und Beiträgen, als sie an individuell zurechenbaren Transfers empfangen“ (S. 30).
Aufgrund ihrer schlechteren Integration am Arbeitsmarkt (niedrigere Erwerbsquoten; niedrigere Löhne) zahlen Ausländer über den gesamten Lebenszyklus gerechnet im Durchschnitt 29,2 Prozent weniger Sozialbeiträge als Deutsche (S. 31); wobei der unausgewiesene Umstand zu berücksichtigen ist, dass fiskalisch produktivere Gruppen von Ausländern den unproduktiven Status von anderen Ausländergruppen innerhalb der homogenisierenden Gesamtschau der Studie verdecken.
Aufgrund ihrer deutlich schlechteren Arbeitsmarktintegration liegen die über den gesamten Lebenszyklus erhaltenen Sozialtransfers (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Wohngeld) bei den Ausländern um 83,4 Prozent höher als bei den Deutschen.
Man sieht also, dass sich im Gegensatz zu SPIEGEL ONLINE ganz andere Schlagzeilen aus dieser Studie ableiten ließen.
Zwar plädiert diese Studie für Zuwanderungssteuerung in Richtung Qualifikation, schießt sich aber gewissermaßen sofort selbst ins Knie, wenn sie einräumen muss, dass die EU-Gesetzgebung gar keine souverän-effektive nationalstaatliche Zuwanderungssteuerung ermöglicht bzw. zulässt. „Weder die EU-Binnenmigration noch der Zustrom von Flüchtlingen lässt sich durch nationale Steuerungsmaßnahmen regulieren.“ (S. 5)

Der medial-manipulativ ausbeutbare Strukturaspekt der Studie besteht letztlich darin, mit abstrakter Fokussierung auf die undifferenzierte Gesamtgruppe der Ausländer die realen Problemgruppen der Zuwanderungspopulation unkenntlich zu machen und gerade dadurch die Notwendigkeit einer Korrektur und Steuerungsrichtung des Zuwanderungsgeschehens zu desorientieren. So stellen auch im Vergleich zur deutschen Aufnahmegesellschaft im Durchschnitt jüngere Zuwanderer nicht per se eine demographische Entlastung da; nämlich dann nicht, wenn sie erhebliche Qualifizierungs- und Bildungsdefizite aufweisen, soziokulturell-normativ divergent geprägt sind und möglicherweise mit einem überdurchschnittlichen Anomiepotenzial ausgestattet sind. Zu diesen kardinalen Themen wäre exakt und absolut tabulos wissenschaftlich zu forschen, zu analysieren und darauf gestützt gesellschaftspolitisch zu diskutieren, anstatt halbseidene, politisch abhängige Auftragsstudien als Mittel zur öffentlichen Meinungsmanipulation einzusetzen.


   II.

In mehreren Studien der letzten drei Jahre wurde eine ausgeprägt kritische Einstellung der deutschen Nichtmuslime gegenüber dem Islam festgestellt. So waren laut dem Datenreport 2013 44% der Westdeutschen und 56% der Ostdeutschen der Meinung, dass die Anwesenheit von Muslimen in Deutschland zu Konflikten führt. 29% der Westdeutschen und 42% der Ostdeutschen bejahten die Forderung, dass die Ausübung des islamischen Glaubens in Deutschland eingeschränkt werden sollte. Den Bau von Moscheen in Deutschland befürworteten 47% der Westdeutschen, aber nur 27% der Ostdeutschen (wobei die Ablehnungsintensität in Ostdeutschland deutlich höher lag).
Ein „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung aus 2013 konstatierte, dass 50 Prozent der Deutschen den Islam für eine Bedrohung hielten und der Meinung waren, dass der Islam nicht nach Deutschland passt (1).

Bei einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2012 wurden die befragten deutschen Nichtmuslime gebeten, unter 21 Aussagen diejenigen auszuwählen, die ihrer Ansicht nach auf den Islam zutreffen. „83 Prozent meinten daraufhin, der Islam sei von der Benachteiligung der Frau geprägt, 77 Prozent meinten, typisch für den Islam sei das Festhalten an althergebrachten Glaubensgrundsätzen, 70 Prozent assoziierten mit dem muslimischen Glauben Fanatismus und Radikalität. Deutliche Mehrheiten der Bevölkerung attestierten dem Islam darüber hinaus unter anderem Gewaltbereitschaft (64 Prozent), die Neigung zu Rache und Vergeltung (60 Prozent), missionarischen Eifer (56 Prozent) und das Streben nach politischem Einfluss (56 Prozent). Nächstenliebe brachten nur 13 Prozent mit Islam in Verbindung, 12 Prozent dachten beim Stichwort Islam an Wohltätigkeit und nur 7 Prozent an Offenheit und Toleranz.“(2)
Im November 2014 ermittelte Infratest dimap im Auftrag der Fernsehsendung „hart aber fair“, dass 42 Prozent der Deutschen sich große Sorgen um die Ausbreitung des Islam in Deutschland machen (2009: 36 Prozent), 42 Prozent wenig Sorgen (2009: 39 Prozent) und 16 Prozent gar keine Sorgen (2009: 22 Prozent).
„Die Einschätzung von Vertretern von muslimischen Verbänden und Organisationen, dass der Islam eine friedliche Religion sei und die Gräueltaten der IS-Milizen mit dem Islam nicht zu tun hätten, hält eine Mehrheit (60 Prozent) der Deutschen für eher nicht überzeugend. Ein Drittel (33 Prozent) ist gegenteiliger Auffassung. Mit Ausnahme der Grünen halten die Anhänger aller Parteien die Aussagen von Vertretern der muslimischen Verbände für eher nicht überzeugend, in den ostdeutschen Bundesländern ist die Skepsis etwas stärker als in den westdeutschen ausgeprägt.“(3)
In den meisten dieser Studien schimmert in den Auswertungspassagen ein stark alarmistischer Tonfall durch, der ohne Anflug tragfähiger Argumentation kritisch-ablehnende Haltungen gegenüber dem Islam grundsätzlich als unbegründet, illegitim und zurückzudrängen konnotiert, anstatt als rational nachvollziehbare und begründbare Einstellungsoption zu betrachten. Damit lassen diese Studien oftmals ihren politisch abhängigen und vorgefassten Charakter erkennen und erweisen sich so als wissenschaftlich höchst zweifelhaft.

Das gilt insbesondere für die jüngst erschienene Studie „Deutschland postmigrantisch“(4) unter der Leitung der höchst umstrittenen Naika Foroutan, der bereits im Rahmen der Sarrazin-Debatte statistische Irreführung vorgeworfen worden war.(5) Bezeichnenderweise wurde diese Studie von der ebenfalls stark umstrittenen Aydan Özoguz (SPD) vorgestellt, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und Schwester der islamistischen Betreiber der Internetseite Muslimmarkt(6). Absolut inakzeptabel ist hier jedenfalls der Tatbestand zu bewerten, dass nicht nur in diesem Fall „postmigrantische“ Quotenakteurinnen im Fokus der Öffentlichkeit darüber negativ urteilen dürfen, dass angesichts der weltweiten, europaweiten und deutschlandweiten Gewaltagenda islamischer Tätergruppen (vom Halsabschneiden vor laufender Kamera, über Ehrenmorde, Selbstmordattentate, salafistische Umtriebe, Schariapatrouillen, antijüdischen Hasskundgebungen, Gewaltexzessen bis zu kriminellen und subkriminellen Alltagsdrangsalierungen vielfälligster Art) ein relativ kleiner Teil der Deutschen die in ihrer orientalisch-islamischen Normativität, Mentalität, Kleidung, Haram-und-Halal-Kultur, archaischen Sittenorientierung etc. verharrenden muslimischen Migranten nicht als „wirklich deutsch“ ansehen, 42 Prozent den Moscheebau in Deutschland eingeschränkt sehen wollen, 60 Prozent für ein Verbot der Knabenbeschneidung aus religiösen Gründen eintreten und 48 Prozent sich gegen das Tragen des Kopftuchs von Lehrerinnen aussprechen.
Insgesamt betrachtet ist dem ideologischen Klage-Diskurs dieser Studie entgegenzuhalten, dass die Muslime von den einheimischen Nichtmuslimen nicht böswillig, verschwörerisch und grundlos „ausgegrenzt“ werden, sondern dass sich ein großer Teil der Muslime in Deutschland - in starkem Kontrast zu anderen Zuwanderergruppen - durch das ostentativ-beharrende Festhalten an orthodox-islamischen Normenvorgaben und generell dem „islamischen Identitätsnarrativ“ aus dem „nationalen Narrativ“ selbst eigentätig herausdefinieren. Kurz gesagt: Es ist nicht die „Islamophobie“ der Einheimischen, sondern die Assimilationsphobie der Muslime, die deren Integration systematisch blockiert und verhindert.


  III.

Das Ziel dieser Auftragsstudien aus dem Umfeld des „tiefen proislamischen Staates“ sowie der ökonomisch interessierten Migrations-, Integrations- und Flüchtlingsbetreuungsindustrie ist bekanntermaßen immer das gleiche: Es geht um die Zurückdrängung, Domestizierung und geistig-moralische Delegitimierung kritischer Einstellungen. Auch das „Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)“ der Universität Osnabrück wollte da nicht abseits stehen und hat eine von der Mercator-Stiftung mit 365.000 Euro finanzierte Studie mit dem Titel „Pathways to succcess“ vorgelegt, aus der die gewünschte Schlagzeile abgeleitet werden kann: „Türkischen Kindern wird es schwer gemacht“.
Kernaussage der Studie laut der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 2.12.2014, S. 19: „Weder Hochschulen und Schulen noch Unternehmen und Betriebe bieten den Einwandererkindern (der dritten und vierten Generation, H. K.) ausreichend Starthilfe.“ Analysiert wurden die Werdegänge von über 70 Personen, deren Eltern aus der Türkei eingewandert sind und die heute zum Teil in „verantwortungsvollen und führenden Positionen“ arbeiten.
Die Befragten bemängelten, dass ihre Zuwanderungsgeschichte in Bewerbungssituationen im Vordergrund gestanden habe. Aus der freien und durchaus begründbaren Auswahl- und Gesprächsführungsoption von einstellenden Akteuren (Personalabteilungen) wird dann - folgt man dem Zeitungsbericht - eine „Diskriminierung konstruiert und der Vorwurf an die Aufnahmegesellschaft gerichtet, dass die zweite und dritte Generation vielfach in dem Bewusstsein aufwüchsen, nicht dazuzugehören und anders zu sein. Die sozialisatorische Selbstherstellung von türkisch-muslimischer „Andersheit“ (als feststellbare Gegebenheit, die auch kritisch beurteilt werden darf) wird hier offensichtlich komplett ausgeblendet, um dafür im Sinne einer recht primitiven selbstentlastenden Externalisierung der Aufnahmegesellschaft (konkret dem öffentlichen Erziehungs- und Lehr- sowie dem betrieblichen Einstellungspersonal) eine bewusst-willentliche Erzeugung von Chancenungleichheit zu unterstellen.
Einmal mehr wird hier eine pauschale „Fremdenfeindlichkeit“ dort unterstellt, wo sie gar nicht zutrifft, sondern sich kritische Einstellungen und Verallgemeinerungen auf konkrete Gruppen mit tatsächlich kritisierbaren Verhaltens- und Einstellungsmerkmalen beziehen. Interviewte man zum Beispiel im direkten Gegensatz zur IMIS-Studie 70 Persönlichkeiten mit Negativerfahrungen im Umgang mit Migranten, würde man sofort zu hören bekommen: „Alles nur unrepräsentative Einzelfälle“.
An Stelle der medialen Schürung von positiven Vorurteilen in Anlehnung an vorgefasste „Auftragsstudien“ als Antwort auf unterstellte negative Vorurteile benötigen wir eine sachgerechte Darstellung, die reale Tatbestände nicht ausklammert. „68 Prozent der Türken im erwerbsfähigen Alter (…) haben bis heute keinen beruflichen Abschluss, 33% nicht einmal einen Schulabschluss. (…) Jeder fünfte aus der Türkei zugewanderte und noch in Deutschland lebende Mann und jede dritte Frau haben weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss. Das ist mehr als in jeder anderen Migrantengruppe. Der Anteil hat sich weder bei den Männern noch bei den Frauen im Vergleich der Daten von 2005 zu 2010 stark verändert“ (Berlin-Institut 2014, S. 30f.). In der Gruppe der 30- bis unter 35-Jährigen bleiben immer noch 53% der türkischstämmigen Personen ohne beruflichen Abschluss. (Vgl. Bildungsbericht 2014, S. 41).
Infolgedessen liegen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund bei fast allen Arbeitsmarktindikatoren deutlich unter dem Durchschnitt aller Migranten(7). „In keiner anderen Gruppe finden sich weniger Erwerbspersonen, nirgendwo ist der Anteil der Hausfrauen höher und sind weniger Erwerbstätige im öffentlichen Dienst und in Vertrauensberufen beschäftigt“ (Berlin-Institut 2014, S. 46).
Dieser schwache Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg der türkischen Migrantengruppe wird aufgrund eines stereotypen Klischees in Form der verschwörungstheoretischen „Benachteiligungsthese“ immer wieder einseitig dem deutschen Bildungssystem angelastet, während der soziokulturelle Effekt der islamisch-patriarchalisch normierten und gegenüber der westlich-säkularen Lebensumwelt disparaten Familiensozialisation ausgeblendet bleibt. Ein bildungsfernes Elternhaus an-und-für-sich determiniert nämlich nicht zwangsläufig und monokausal einen Bildungsmisserfolg, wie Kinder nichtislamischer Zuwanderer belegen. So haben im krassen Gegensatz zu den Türkischstämmigen die russlanddeutschen Aussiedler der zweiten Generation bei relativ ähnlicher soziökonomischer Ausgangslage schon zu 47% eine Hochschulreife erlangt - ein weiterer Beleg für die Unangemessenheit des monokausalen Ökonomismus als Abwehrargument gegenüber soziokulturellen, darunter religiös-kulturellen Einflussfaktoren. Eine Reihe von Autoren verweisen  zutreffend auf das Beispiel ostasiatischer Zuwanderer. Deren Bildungs- und Integrationsverlauf zeigt, dass eine ungünstige soziale Situation keinesfalls die schulischen und beruflichen Chancen kausalmechanisch determiniert. „Jugendliche ostasiatischer Herkunft sind im Durchschnitt weitaus leistungswilliger und darum sozial erfolgreicher als arabische und türkische. Bei gleicher sozialer Lage divergieren die kulturellen Dispositionen dramatisch.“ (Flaig 2013, S. 36)
Es spricht also Einiges dafür, dass sich große Teile der orthodox-konservativen Türken sowie die orthodoxen Muslime in Deutschland mit ihren Einstellungen, Erziehungsstilen und Sozialisationsmustern selbst benachteiligen und als Befolger ihrer grund- und menschenrechtswidrigen Weltanschauung selbst ausgrenzen.

10. Dezember 2014

 

6. Im Grunde wäre Özoguz ein klassischer Fall für die assoziative Diffamierungsmethodik pseudolinker Gruppen, die sich nicht mit Inhalten herumplagen, sondern schlicht über das mccarthyistische Aufdecken realer oder imaginierter Verbindungen politische Gegner bekämpfen: Du kennst jemanden der jemanden kennt, der gesehen haben will, dass er einen rechtspopulistischen (islamistischen) Nachbarn hat und somit verdächtig ist. Bei Özoguz genügte hier ein sehr kurzer Assoziationsweg.

7. Gerade die türkisch-muslimische und arabische Migrantengruppe wird schon seit längerer Zeit als die im Durchschnitt am schlechtesten integrierte/integrierbare Gruppe besonders bevorzugt behandelt und mit allerlei Sonderprogrammen bedacht. Diese reichen von Sprachförderung im Kindergarten und Hausaufgabenhilfe über dem islamischen Patriarchat und der Geschlechtertrennung angepasste Mutter-Kind-Kurse bis zur Sonderbetreuung von Auszubildenden, familientherapeutischen Konfliktbewältigungsmaßnahmen und diversen Anti-Aggressions-Kursen für straffällig gewordene Rechtgläubige mit gewaltbesetzten Überlegenheitsphantasien etc. Der Erfolg dieser kostspieligen Programme zum Nutzen der Integrations- und sozialpädagogischen Reparaturindustrie fällt hingegen - vorsichtig formuliert - eher bescheiden aus.


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