Lukas Mihr
Die Mogelpackung – warum die AfD eine islamfreundliche Partei ist
Ein entscheidender Faktor für die Wahlsiege der AfD ist die Furcht vieler Deutscher vor dem Islam. Verständlich – denn Gewalt im Nahen Osten und Parallelgesellschaften in Europa bestimmen seit Jahren die Schlagzeilen. Mehrere AfD-Politiker, allen voran Parteichef Alexander Gauland, hatten in Abgrenzung zum früheren Bundespräsidenten Christian Wulff erklärt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland!“
Ohne Zweifel braucht Deutschland eine Partei, die sich ohne Wenn und Aber dem Islam entgegenstellt. Doch die AfD ist nicht diese Partei – ihre Kritik am Islam entpuppt sich als Mogelpackung. Stellenweise sind sich beide Lager näher als man denken könnte. Da die AfD teilweise homophob, antisemitisch oder antiamerikanisch ist, ergeben sich sowohl innenpolitische, wie auch außenpolitische Überschneidungen, etwa in Bezug auf Israel und die USA.
Freude über Terroranschläge
Sogar Terrorismus kann die AfD etwas Gutes abgewinnen. Der Bautzener Kreischef und Landesvorstand Arvid Samtleben meinte kurz vor der Bundestagswahl 2017, dass ein Terroranschlag hilfreich für das Wahlergebnis sei. Hatte er bloß offen ausgesprochen, was andere nur insgeheim denken? Das meinen zumindest Aussteigerin Franziska Schreiber und Undercover-Reporter Leif Tewes . Sebastian Wippel bedauerte im sächsischen Landtag, dass bei Terroranschlägen keine asylfreundlichen Politiker unter den Opfern waren. Ähnlich wollte auch der stellvertretende nordrhein-westfälische Fraktionsvorsitzende Sven Tritschler nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz dem SPD-Politiker Ralf Stegner „fast Bekanntschaft mit einem LKW-Reifen wünschen.“ Und der damalige hessische Landeschef Peter Münch forderte 2016 den Bundesvorstand auf, „Danke Merkel!“-Plakate stets „vorrätig“ zu halten, um im Falle eines Anschlages umgehend Stimmung machen zu können. Nicht viel anders urteilte Alexander Gauland , der meinte, die Flüchtlingskrise, die Mord und Terror nach Deutschland brachte, sei ein „Geschenk“ für die AfD.
Auch die Haltung gegenüber sexueller Gewalt ist weniger eindeutig, wenn es denn die „Richtigen“ trifft . Franziska Schreiber berichtet, ehemalige Parteifreunde hätten ihr eine Vergewaltigung durch Flüchtlinge gewünscht. Wegen ähnlicher Beleidigungen gegen die Hamburger Grünen-Politikerin Stefanie von Berg wurde ein AfD-Mitglied zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch Claudia Roth erhielt entsprechende E-Mails. Der damalige JA-Vorsitzende und heutige Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier hatte nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht 2015 in einem Facebook-Posting suggeriert, Roth sei derart unattraktiv, dass sie eine Vergewaltigung durch Flüchtlinge geradezu herbeisehne.
Gegen die Eltern der von einem Afghanen vergewaltigten und ermordeten Maria Ladenburger ergoss sich im Internet Häme. Ein Compact-Artikel deutete an, Clemens Ladenburger, ranghoher EU-Bürokrat, sei selbst schuld am Tod seiner Tochter. Ein Kommentator meinte sogar, er könne „eine klammheimliche Freude nicht verhehlen.“ Der ehemalige Landesvorsitzende Mecklenburg-Vorpommerns, Holger Arppe , nannte das Flüchtlings-Engagement der Eltern „pathologisch“. Zuvor hatte er einer Frau die Vergewaltigung durch Schimpansen gewünscht.
Vereint gegen Homosexuelle
Im Oktober 2018 prangerte Gottfried Curio im Bundestag – völlig zu Recht! – die Homophobie im Islam an. Doch glaubwürdiger wäre es gewesen, hätte nicht die gesamte Fraktion am gleichen Tag (!) gefordert, die Homoehe wieder abzuschaffen. Andere Politiker gehen noch einen Schritt weiter.
So behauptete der hessische Abgeordnete Martin Hohmann 2000 im Bundestag (damals noch als CDU-Mitglied), dass es ein „Unwerturteil der drei großen monotheistischen Weltreligionen über Homosexualität als solche“ gebe. Die islamische Homophobie wurde erneut 2015 in der Debatte über schwule Ampelmännchen in Hamburg instrumentalisiert. Dadurch könnten sich Muslime beleidigt fühlen, so der AfD-Landesverband. Beatrix von Storch beklagte die Toleranz gegenüber Homosexuellen in der Evangelischen Kirche. Man müsse sich nicht wundern, wenn muslimische Einwanderer die deutsche Kultur verachteten. Und das Brandenburger Vorstandsmitglied Arthur Wagner war über die Teilnahme von Pastoren am Christopher-Street-Day so schockiert, dass er kurzerhand zum Islam konvertierte.
Im Juni 2016 diskutierte der Landtag von Sachsen-Anhalt über die Einstufung des Mahgreb als sicheres Herkunftsland. Hans-Thomas Tillschneider behauptete, eine systematische Verfolgung sexueller Minderheiten gäbe es in Marokko, Algerien und Tunesien nicht. Wer seine Homosexualität nicht offen lebe, habe keine staatlichen Repressionen zu befürchten. Er selbst behalte seine sexuellen Neigungen ja auch für sich. Kollege Andreas Gehlmann kommentierte die Diskriminierung im Mahgreb: „Das sollten wir in Deutschland auch machen!“
Lieber Kopftuch als bunte Haare
Auch das islamische Frauenbild stößt auf Zustimmung in der AfD. Dubravko Mandic , ehemaliges Mitglied des Parteischiedsgerichts Baden-Württemberg, Vorstandsmitglied der parteiinternen Patriotischen Plattform und Direktkandidat für den Bundestagswahlkreis Tübingen, hatte sich gegen „Islambashing“ ausgesprochen. „Musel“ seien „gute Leute“ und ihm lieber als die „verschwulten Deutschen“. Der Islam sei eine „männliche Ideologie“ und ein Bündnispartner gegen „Feminismus und Genderwahn“. Die AfD müsse „ihren fremdenfeindlichen Beißreflex in den Griff bekommen“ und sich zwar gegen Einwanderung, aber nicht gegen den Islam positionieren. Als Rechtsanwalt hatte Mandić einer Teenagerin Mitschuld an ihrer Vergewaltigung gegeben, weil sie den Täter „offensiv angetanzt“ habe.
Ellen Kositza , deren Mann Götz Kubitschek als zentraler Akteur der neurechten Szene gilt und zusammen mit Alexander Gauland auftritt, zeigte sich über die Verschleierung erfreut. Sie werde lieber von einer Kassiererin mit Kopftuch als von ihrer Kollegin mit buntgefärbten Haaren und Piercings bedient. Ebenso vertraue sie ihre Kinder eher einer islamischen Lehrerin an als einem Sozialpädagogen, der sich in der Linkspartei engagiert.
Antisemiten unter sich
Darüber hinaus zeigen sich in Bezug auf das Judentum Überschneidungen. Die antisemitischen Tendenzen in der AfD sind daher doppelt bedenklich. Zum einen – natürlich – weil Antisemitismus an sich Juden gefährdet und zum anderen, weil dieser ein Bindeglied zum Islam darstellt.
Jürgen Elsässer gilt als Unterstützer Teherans und traf sich mit Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad. Sein AfD-nahes Compact-Magazin (mehrere Angestellte sind selbst Parteimitglieder oder mit ihnen verwandt bzw. verschwägert) wurde mit Hilfe von Andreas Abu Bakr Rieger , dem Herausgeber der Islamischen Zeitung, gegründet. Elsässer hatte den türkisch-nationalistischen und antisemitischen Spielfilm Tal der Wölfe verteidigt. Anlässlich der iranischen Protestbewegung 2009 äußerte er sich zynisch zur Verfolgung regimekritischer Homosexueller. Die Religionspolizei habe die „Strichjungen des Finanzkapitals“ in „den einen oder anderen Darkroom befördert“ . Aktuell bejubelt Elsässer das Assad-Regime .
Der FDP-Politiker Jürgen Möllemann hatte im Jahr 2002 palästinensische Gewalt gerechtfertigt und sich mit dem deutsch-syrischen Politiker Jamal Karsli solidarisiert, der Israel einen „Vernichtungskrieg“ und „Nazi-Methoden“ vorgeworfen hatte. Als er im darauffolgenden Jahr starb, spekulierte der heutige stellvertretende Berliner Fraktionsvorsitzende Ronald Gläser , dieser könne vom „Geheimdienst eines kleinen Landes im Nahen Osten“ ermordet worden sein. Ähnlich denkt auch der Bitterfelder Landtagsabgeordnete Volker Olenicak . Alexander Gauland sprach von einem „Schulterschluss der Eliten“ gegen Möllemann und dass „der Verdacht des Antisemitismus in Deutschland nicht entschuldigungsfähig ist, ganz gleich, ob eine Analyse des Gesagten dem Vorwurf standhält oder nicht.“ Martin Hohmann kritisierte die „antipalästinensischen Aktivitäten“ Israels. Die „vernichtende Wirkung des meist instrumentalisierten Antisemitismus-Vorwurfs“ sei „bedenklich“. Man müsse neben Antisemitismus auch über Antigermanismus diskutieren.
Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon hatte 2018 der deutschen Außenpolitik „Zionismushörigkeit“ vorgeworfen. Israel wolle den Westen in einen Krieg mit Syrien und dem Iran treiben. In seinem Landesverband ist er nicht allein. Mit dem früheren Landeschef Bernd Grimmer, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Rainer Podeswa und Emil Sänze, dem Abgeordneten Hans Peter Stauch und dem Pforzheimer Kreischef Alfred Bamberger meldete sich Gedeon auf dem Bundesparteitag 2017 in einem Antrag zu Wort. Israel des „Staatsterrorismus“ zu bezichtigen, sei nicht antisemitisch. Lieferungen deutscher U-Boote lehnten sie ab. Außerdem müsse man über „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ (BDS ) gegen Israel nachdenken. Stefan Räpple sprach sich gegen die Gründung der Juden in der AfD aus: „Die zionistische Ideologie, also die Durchsetzung israelischer Interessen auf deutschem Boden, lehne ich ab. Es geht mir um deutsche Interessen, nicht um israelische.“ Die JA Bayern hatte einen Beschluss des Münchener Stadtrates gegen die BDS-Organisation als „falsch“ bezeichnet; dem Holocaust werde in Schulen „zu viel Aufmerksamkeit gewidmet“. Der Wittenberger Kreischef und Landesvorstand Dirk Hoffmann nannte israelische Militäroperationen in Gaza „Völkermord“.
Der Bundestagsabgeordnete Wilhelm von Gottberg , der meinte, „jüdische Wahrheiten“ über den Holocaust dürften von der Geschichtswissenschaft nicht angezweifelt werden, hatte 2003 in Anlehnung an Möllemann über „den Einfluss der jüdischen Lobby in den Vereinigten Staaten“ als Motiv für den Irakkrieg spekuliert. Israel wolle Saddam Husseins Unterstützung für palästinensische Terroristen unterbinden. Womöglich sei auch eine Aufspaltung des Irak geplant. Jordanien könne Gebietskompensationen im Osten erhalten, um einer Aufnahme der vertriebenen Palästinenser aus Gaza und Westbank zuzustimmen. So könne Israel sein Gebiet um Judäa und Samaria erweitern. Die meisten Muslime in Deutschland seien froh, dass Angela Merkel, die damals fest an der Seite George W. Bushs stand, keine Regierungsverantwortung trage. In dem von von Gottberg herausgegebenen Ostpreußenblatt erschienen mehrere Beiträge (u.a. von Martin Hohmann ), die den österreichischen Politiker Jörg Haider unterstützten. Dieser galt als Freund Muammar al-Gaddafis und Saddam Husseins und hatte erklärt, dass die FPÖ in der Tradition der Terrorgruppe PLO stehe.
9/11 als Verschwörung
Personelle Verbindungen bestehen auch zu den „Truthern“, die über eine amerikanische oder israelische Beteiligung an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 spekulieren, also den größten islamischen Terroranschlag der Geschichte leugnen. 2015 riefen die fünf Bezirksverbände in Nordrhein-Westfalen den Alternativen Wissenskongress (AWK) ins Leben, der mehreren Vertretern der Szene (Andreas Popp, Michael Vogt, Christoph Hörstel) ein Forum bot. Wenngleich der AWK keine offizielle Parteiveranstaltung war, waren auch der Landtagsabgeordnete Nic Peter Vogel und der Bundestagsabgeordnete Udo Hemmelgarn beteiligt.
AWK-Organisator Sebastian Schulze, stellvertretender Vorsitzender des Bezirks Arnsberg und Listenkandidat bei der Bundestagswahl, verkündete ebenfalls, dass 9/11 von den USA inszeniert worden sei. „IsraHELL“ sei ein „Terrorstaat. Es habe Obama auf seiner Seite, die Palästinenser hingegen hätten Allah.
Im Frühjahr 2017 lud das Mittelstandsforum der AfD-NRW Daniele Ganser zu einem Vortrag ein (und nach heftigem Medienecho wieder aus). Der Schweizer Politologe ist Truther und hatte unter anderem den Angriff auf Charlie Hebdo ähnlich kommentiert. Auch Hans-Thomas Tillschneider , Jobst von Harlessem und mehrere Beiträge im Compact-Magazin hinterfragen den Terroranschlag auf das World Trade Center. Gerhard Wisnewski , der vermutet, die Hinrichtungsvideos des IS seien von den USA fabriziert, trat 2017 bei einer Veranstaltung der Berliner AfD-Fraktion auf.
„Solidarität mit Assad“
Im März 2018 bereiste eine AfD-Delegation aus vier Bundestagsabgeordneten und Funktionären des Landesverbandes NRW Syrien und traf sich mit Regimevertretern. Diese erweckten den Eindruck, die Kampfhandlungen seien weitgehend abgeschlossen. Die AfD gab diese Regierungspropaganda unhinterfragt wieder, lässt sie doch eine schnelle Rückführung der syrischen Flüchtlinge aus Deutschland als möglich erscheinen. Die Delegation traf auch auf den Großmufti Syriens, Ahmed Badr al-Din Hassun , der 2011 zu Beginn des Bürgerkrieges dem Westen mit Terroranschlägen gedroht hatte.
Die (mittlerweile aufgelöste) parteiinterne Patriotische Plattform unter Leitung Hans-Thomas Tillschneiders forderte „Solidarität mit Assad“ und bezweifelte, dass er Giftgas gegen das eigene Volk eingesetzt habe. Ähnlich hatten auch das Führungsduo Alexander Gauland und Alice Weidel, Björn Höcke und Petr Bystron argumentiert. Sympathien für einen Kriegsverbrecher sind mehr als bedenklich – aber nicht einmal die weit verbreitete These, Assad sei ein säkularer Herrscher und gehe zumindest gegen den islamischen Terrorismus vor, stimmt.
Der Islamische Staat wurde unter maßgeblicher Assistenz des Regimes aufgebaut , das im Frühjahr 2011 eine Amnestie für Dschihadisten erteilte. Assads Kalkül : Die Kämpfe zwischen Islamisten und Moderaten würden die Opposition von innen heraus schwächen. Angriffe auf das eigene Gebiet schlug das Regime zurück, führte aber keine Offensiven auf das IS-Territorium durch. Die moderate Opposition sollte so zwischen IS und Regime zerrieben werden. Ziel dieser Strategie war es, dass im Lager der Assad-Gegner nur die Islamisten überleben, sodass das Regime in den Augen der westlichen Welt als das kleinere Übel erscheint.
Außerdem gehörte Syrien jahrzehntelang zu den Finanziers der palästinensischen Hamas und unterstützt bis heute die libanesische Hisbollah. Zu den wichtigsten Verbündeten zählt neben Russland der Gottesstaat im Iran, der durch seine militärische Präsenz im Land den religiösen Einfluss in der Gesellschaft ausbauen will. Wer Assad stärkt, stärkt auch die Mullahs.
„Lieber ein stabiles Mullah-Regime“
Anfang 2018 verkündete der Bundestagsabgeordnete René Springer mit Blick auf Proteste im Iran: „Lieber ein stabiles Mullah-Regime als ein zweites Syrien mit hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen.“ In dieser Kürze mögen viele Springer zustimmen, allerdings sollte man nicht auf sein falsches Dilemma hereinfallen. Zwischen beiden Extremen scheint es für Springer kein drittes Szenario zu geben, so als ob noch nie eine Revolution friedlich geglückt wäre. In seinem Beitrag warnte er, eine Intervention des Westens gegen die „legitime Regierung“ könne katastrophale Folgen nach sich ziehen. Augenscheinlich vermutete er nach anti-amerikanischer Logik, die Proteste seien von den USA aus gesteuert – ganz als könne das iranische Volk nicht von sich aus Kritik am Regime üben. Ein etwaiger Bürgerkrieg erscheint ihm offenbar hauptsächlich deshalb als Katastrophe, weil dieser eine erneute Flüchtlingskrise in Deutschland bedeuten würde, weniger wegen der Kriegstoten selbst. Dieser Eindruck entsteht, weil Springer betonte, dass im Iran viele afghanische Flüchtlinge ansässig seien, die womöglich nach Deutschland einreisen könnten. Der AfD ist allem Anschein nach völlig egal, was im Nahen Osten passiert – solange es sich nicht in Europa auswirkt.
Mit Erdoğan gegen Brüssel
Der frühere bayerische Landeschef und heutige Bundestagsabgeordnete Petr Bystron kritisierte im Februar 2018 die Linksfraktion, die mit Schals in den kurdischen Nationalfarben im Plenarsaal erschienen war. Ihre Solidarität mit der marxistischen YPG zeige, dass sie noch immer eine Gewaltherrschaft wie unter Stalin und Lenin anstrebe. Mit seinem Auftritt im Bundestag erwarb Bystron die Sympathien türkischer Nationalisten. Kurz darauf gab er der AKP-nahen Star Gazete ein Interview. Dort warf er der deutschen Linken vor, den Kampf der YPG gegen den IS in der Region Rojava mit Spenden finanziell unterstützt zu haben. (Ähnlich hatten sich auch die baden-württembergische und brandenburgische Landtagsfraktion positioniert.) Bystron gab an, „Verständnis“ für den Einmarsch der türkischen Armee in die von Kurden besiedelte nordsyrische Stadt Efrîn zu haben. Er betonte die engen Bindungen zu Deutschland und riet den Türken, ihre „Würde und Souveränität“ zu schützen und sich der EU zu widersetzen:
„Brüssel missachtet die Souveränität des türkischen Volkes und kritisiert Präsident Erdoğan ebenso wie Polen, Ungarn und Russland. Jedes Land, das nicht auf die Anweisungen der EU hört, wird von Berlin und Brüssel angegriffen. [...] Zwischen beiden Ländern besteht eine solide historische Partnerschaft, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Dies ist eine ganz besondere und enge Verbindung.“
Seit etwa 2017 betreibt der russische Präsident Wladimir Putin eine Annäherung an Erdoğan. Mutmaßliches Ziel ist es, die Türkei aus der NATO herauszulösen. Insbesondere der Verkauf von Rüstungs- und Nukleartechnologie sowie eine geplante Gaspipeline bereiten Washington Bauchschmerzen. Bystron betonte das Recht der Türkei auf Zusammenarbeit mit Russland. Er begrüße die türkischen Annäherungsbemühungen gerade in diesen Zeiten, in denen sich die USA und Großbritannien von Russland entfernten. Die Türkei sei kein europäischer Staat und teile nicht die Werte der EU. Der Weg, eine Brücke zwischen Ost und West zu bauen, sei der richtige.
Andreas Wild , Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, hatte Kontakte zu Vertretern der AKP und deren Koalitionspartner, der ultranationalistischen MHP, wofür er innerparteilich in die Kritik geriet. Er wurde aus der Fraktion, nicht jedoch aus der Partei ausgeschlossen. Bereits zuvor hatte er mit rechten Äußerungen den Zorn des liberalen Landesvorsitzenden Georg Pazderski auf sich gezogen.
Kontakte zu Terroristen
Zu den vielen rechtsextremen Mitarbeitern der Bundestagsfraktion gehörte auch Manuel Ochsenreiter. Er war Chefredakteur bei der Deutschen Militärzeitschrift und Zuerst! und tat sich in der jüngeren Vergangenheit durch sein Engagement in Osteuropa hervor. So betätigte er sich als „neutraler“ Wahlbeobachter auf der Krim. Aufgrund einer mutmaßlichen Verwicklung Ochsenreiters in einen Brandanschlag in der Ukraine endete 2019 seine Zusammenarbeit mit Markus Frohnmaier.
2005 hatte Ochsenreiter dem Internet-Portal Muslim-Markt ein Interview gegeben, in dem er auf Gemeinsamkeiten zwischen seinem katholischen Glauben und dem Islam hinwies. Übereinstimmungen sehe er in den Fragen der Abtreibung, Sterbehilfe und Homoehe. Aufgrund der „momentanen Terrorhysterie“ seien die geschichtlichen Bindungen zwischen Deutschen und Muslimen in Vergessenheit geraten - eine Anspielung auf die islamischen Freiwilligenverbände , die während des Zweiten Weltkriegs an der Seite der Wehrmacht kämpften.
Ochsenreiter traf sich mit Vertretern der Hisbollah und Mahmud Ahmadinedschad. Bei einer Reise in den Libanon posierte er stolz auf einem zerstörten israelischen Panzer . 2014 referierte Ochsenreiter auf einer Konferenz in Teheran, bei der auch mehrere Holocaustleugner auftraten, über die „Israelische Lobby in Deutschland“ . Zwei Jahre später bezeichnete er den Iran als „stabilisierende Regionalmacht“ : „Teheran kämpft gegen radikal-sunnitische Terrorbanden in Syrien, während Saudi-Arabien diese finanziert.“ Die radikal-sunnitische Terrorbande Hamas wird allerdings sehr wohl vom Iran finanziert.
Neben diesen inhaltlichen Überschneidungen schätzt die AfD den Islam aber vor allem als trennendes Element zwischen den Nationen. Ein Verschwinden aller Religionen wäre kontraproduktiv, da dies zur Einheit zwischen den Völkern beitrüge. In den ostdeutschen Landesverbänden herrscht der Ethnopluralismus vor, der vorgeblich die Vielfalt aller Kulturen schützen will – allerdings nur an den ihnen angestammten Orten. In dieser Sicht hat der Islam seine Berechtigung, jedoch nicht in Europa, sondern nur in seiner traditionellen Heimat. Das Ziel ist eine globale Apartheid.
„Ich will einen Islam, der islamisch ist“
Wichtigster Vertreter dieser Denkrichtung ist der eingangs erwähnte Hans-Thomas Tillschneider – die zentrale Autorität der AfD in Islamfragen. Er ist ein erklärter Freund von PEGIDA und der Identitären Bewegung. Für ihn ist der Ethnopluralismus „eine im höchstem Maß vernünftige, wirklichkeitsbezogene Ansicht.“ Ziel sei es, „die ethnokulturelle Einheit, die sich deutsches Volk nennt, zu erhalten.“
Oft wird Tillschneider von den Medien als Islamfeind bezeichnet. Das Gegenteil ist der Fall. Auf dem Parteitag 2016 in Stuttgart setzte der habilitierte Islamwissenschaftler durch, dass eine Passage, die eine Reform des Islam forderte, gestrichen wurde. Wer die „Islamisierung Europas zurückweise“, dürfe umgekehrt „keine Europäisierung des Islams fordern“. Er sei „sehr gerne im Orient“ und habe „großen Respekt vor dem Islam.“ Im Studium habe es ihn nach Damaskus gezogen, nicht in das „verwestlichte“ Kairo: „Ich will einen Islam, der islamisch ist, und ein Deutschland, das deutsch ist.“
Die Forderung nach einer Islamreform sei „Feindlichkeit gegenüber Identität und kultureller Differenz.“ Zwar erkenne er den Fakt an, dass der Islam Demokratie, Frauenrechte und körperliche Unversehrtheit als Prinzipien ablehne, er wolle diesen Umstand aber nicht bewerten. „Die islamische Kultur ist weder besser noch schlechter als die deutsche oder die europäische Kultur, sie ist anders, und sie paßt, so wie sie ist, nicht zu uns. “ Der „Menschenrechtsuniversalismus des Westens“ sei in Wahrheit ein “Menschenrechtsbellizismus“ . Im Klartext heißt das wohl: Laut Tillschneider will derjenige, der die Missstände im Islam anprangert, nicht Frauen und Schwule vor der Steinigung retten oder Kinder vor einer Zwangsheirat bewahren, sondern nur neue Militäroperationen im Nahen Osten rechtfertigen. Auch wolle er die männliche Beschneidung nicht verbieten. Die linke Islamkritik einer Alice Schwarzer weise er ausdrücklich zurück. Sie führe zu Multikulti und einem „grauen Einheitsbrei“.
Die sexuellen Belästigungen der Kölner Silvesternacht haben laut Tillschneider nichts mit dem Islam zu tun. Die tiefere Ursache sei die deutsche Gesellschaft, die von Arabern nicht respektiert werde. In ihrer Heimat mit ihren strengen Moralvorstellungen würden Muslime sich nicht so verhalten – ganz als habe es keine Übergriffe auf dem Tahrir-Platz in Kairo gegeben. Aiman Mazyek hätte es nicht besser formulieren können.
Konsequent bezeichnet Tillschneider sich dann auch nicht als „Islamkritiker“, sondern als „Islamisierungskritiker“: „Ich kritisiere den Islam nicht an sich und will ihn weder reformieren noch aufklären.“ Er betont, dass für ihn das „Problem nicht der Islam […], sondern die Präsenz des Islams in Deutschland“ und sein zunehmender gesellschaftlicher Einfluss sei. Tillschneider verlangt daher, die Einwanderung aus der islamischen Welt zu stoppen. Nur in einem Punkt fordert er den Islam zum Umdenken auf. Dieser müsse sich von seiner auf „Weltherrschaft gerichteten Expansionstendenz“ verabschieden und anerkennen „dass die Gebiete in Nordafrika und dem Vorderen Orient sein traditionelles Gebiet darstellen, in dem er sich frei entfalten kann, während er sich in den übrigen Weltregionen den dort herrschenden Gepflogenheiten fügen muss.“
Feindbild Dekadenz
Der damalige Vorsitzende Sachsen-Anhalts, André Poggenburg , hatte erklärt, „Kulturen, Traditionen und Religionen in ihren Herkunftsländern“ zu tolerieren. Der Thüringer Landeschef Björn Höcke betonte, dass nicht der Islam, sondern Dekadenz und Selbsthass der Deutschen der eigentliche Feind seien. Gleichwohl forderte er Anfang 2018 , den Islam auf sein ursprüngliches Gebiet zurückzuweisen:
„Dann werden wir die Direktive ausgeben, dass am Bosporus mit den drei großen M, Mohammed, Muezzin und Minarett, Schluss ist, liebe Freunde!“
Der Potsdamer Militärhistoriker Peter Hild bewegte sich längere Zeit im Umfeld der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und griff 2015 in seiner PEGIDA-Rede auf NS-Propagandathesen zurück. Hild hatte allerdings auch erklärt, ein Freund der Araber und des Islams zu sein und sich an den transphoben Sprüchen des algerischen Gangsterrappers Al-Gear erfreut. In den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und auf Charlie Hebdo sieht er eine jüdische Verschwörung. Al-Qaida wurde seiner Meinung nach von „USrael“ gegründet. Ihm imponiert Mahmud Ahmadinedschad, der festgestellt hatte, dass es in jedem Land Nationalstolz gäbe, Deutschland seinen Bürgern jedoch stets „einrede“, ein Volk von Verbrechern zu sein. Hild hatte auf Einladung der AfD-Fraktion Brandenburg über Otto von Bismarck referiert, eine eigene Bundestagskandidatur scheiterte jedoch.
Ethnopluralismus
Gerade wegen der ethnopluralistischen Strömung in der AfD verdient die Nähe zum offen rechtsextremen Milieu eine genauere Betrachtung. Symptomatisch hierfür ist die Aussage Dubravko Mandics, seine Partei unterscheide sich von der NPD „vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte“. Der Vorsitzende Mecklenburg-Vorpommers, Dennis Augustin, hatte in seiner Jugend eine NPD-Kaderschmiede besucht. Björn Höcke wird vorgeworfen, unter Pseudonym für eine NPD-Publikation geschrieben zu haben, die Junge Alternative weist personelle Überschneidungen zu den Jungen Nationaldemokraten auf, Fraktionen in Bund und Ländern beschäftigen einschlägig bekannte Personen und neben Sympathien für die Identitäre Bewegung (deren Kader oft eine NPD-Vergangenheit aufweisen) und PEGIDA kam es beim sog. Trauermarsch in Chemnitz zu einer Verbrüderung mit dem rechtsextremen Spektrum.
Die NPD äußerte sich mehrfach islamfreundlich und schätzt sogar das Kopftuch . Sie solidarisiert sich mit der Hamas, dem Assad-Regime und dem Iran. Die Aussagen des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan aus dem Jahr 2008, der vor Deutschtürken erklärt hatte, Assimilation sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und türkischsprachige Schulen und Universitäten in Deutschland forderte, stießen auf Beifall. Die NPD wünscht explizit Parallelgesellschaften. Wenn Deutschtürken untereinander heiraten und an Sprache und Religion festhalten, erleichtert dies ihre geplante Rückführung in die Türkei und verhindert „Rassenschande“. Die Forderung nach eigenen Schulen und Universitäten erinnert an die Zeit der Rassentrennung in den USA.
Der frühere NPD-Politiker Thor von Waldstein erklärte 2016 auf einer Compact-Konferenz , dass Terrorismus eine Antwort auf Kolonialismus und einen „die Menschenrechte beharrlich mit Füßen tretenden Kleinstaat am östlichen Mittelmeer, der seine islamischen Bürger […] mit Gewalt und Terror überzieht“ sei. Der Islam verachte den femininen und dekadenten Westen.
2016 besuchten die beiden sächsischen Landtagsabgeordneten Mario Beger und Gunter Wild den rechtsextremen Politiker Gábor Vona in Budapest. Der Vorsitzende der Partei Jobbik hält die Ungarn für Nachkommen der Türken und gilt als Unterstützer Erdoğans. Der Islam ist für ihn „die letzte Hoffnung der Menschheit inmitten der Düsternis der Globalisierung und des Liberalismus“. Er gibt an, einen palästinensischen Trauzeugen zu haben und wirbt für Städtepartnerschaften mit dem Iran.
„Fehlsteuerung des aufgeklärten Denkens“
Kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 forderte Alexander Gauland „Mehr Respekt vor der arabischen Welt“. Sein Beitrag in der WELT erschien in einer überarbeiteten Fassung auch im Debatten-Magazin Berliner Republik . Er beklagte ein „Denkverbot“ laut dem derjenige, der den Terror verstehen wolle, sich der Kritik ausgesetzt sähe, ihn zu relativieren. „Muss man also noch die letzten kommerzialisierten Auswüchse der amerikanischen Popkultur toll finden, um dem Vorwurf des Antiamerikanismus zu entgehen?“ Man müsse sich „einer Fehlsteuerung des aufgeklärten Denkens“ bewusst werden, „die den Islam mit religiösem Wahn und Rückkehr des Mittelalters gleichsetzt.“
Der Kapitalismus „zersetzt Mythen und Glaubenswelten und trennt den Einzelnen von Gott“ - für Gläubige ein „unverzeihliches Verbrechen“. Die westliche Zivilisation könne „weder in Indien noch in Saudi-Arabien Geltung beanspruchen“. Die islamische Welt habe durch den Westen „Demütigung auf Demütigung“ erlebt. „Die großen kulturellen Leistungen des Islam in Granada und Cordoba“ fänden keinen Eingang in das westliche Verständnis. Der „Fremdkörper Israel“ und der Machtzuwachs Amerikas durch den Wegfall der Sowjetunion als Weltmacht hätten die arabische Welt weiter bedrängt. Der jüdische Staat habe aus Sicht der Araber „ihr Lebensrecht eingeschnürt.“ Laut Gauland sei die logische Folge Gewalt: „Ist es wirklich so unverständlich, dass verletzter Stolz Hass hervorbringt und Terror gebiert?“ Wolle man „den Terror austrocknen“, müsse man „den Eigenwert der islamischen Welt respektieren.“ Gauland verwies auf Lord Curzon, der als Herrscher Indiens die indische Kultur respektierte und daher noch heute im Land beliebt sei. Der Westen solle keine Truppen nahe der Kaaba stationieren und auf Soldatinnen in der arabischen Welt verzichten.
„Fremdkörper Israel“
Der „Traum von Judäa und Samaria“ dominiere die israelische Politik. Eine Aufgabe der Siedlungen würde „den Sumpf des Terrors nicht sofort trocken legen, aber vielen Moslems vielleicht doch das Gefühl geben, dass wir auch ihren Gott [...] respektieren.“ Gauland verwies auf den Anschlag auf das King-David-Hotel im Jahr 1946 durch Zionisten. Diese „Erinnerung […] sollte es auch den Israelis möglich machen, mit der Hamas Frieden zu schließen.“ Offenbar sieht Gauland Israel und die Hamas gleichermaßen als Terroristen an – Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Fast scheint es, die palästinensische Terrororganisation sei jederzeit zum Friedensschluss bereit, würde sich Jerusalem nicht störrisch Verhandlungen widersetzen – tatsächlich verhält es sich genau andersherum.
Erst kürzlich lehnte er aus wirtschaftlichen Gründen Sanktionen gegen den Iran ab.
2016 von der ZEIT auf seine damaligen Aussagen angesprochen, die islamischen Wertevorstellungen mögen „uns westlichen Menschen unerträglich vorkommen, der gläubige Moslem darf es anders sehen“, antwortete Gauland:
„Aber das ist doch nicht mein Problem. Ich will ja nicht, dass der Islam in Europa ist. Deshalb muss ich mich auch nicht mit der Frauenproblematik des Islams auseinandersetzen.“
Juli 2019
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